Montag, April 04, 2005

Der Notizblock der Familie

Der einsame Baum
Das Gemälde Der einsame Baum (1822) zeigt noch einmal exemplarisch die Spiegelung des Himmels im Irdischen. Die Farben glühen gewissermaßen von innen heraus, vermitteln eine kosmische Harmonie. Wir fühlen uns erinnert an Eichendorffs Gedicht


Wünschelrute
Schläft ein Lied in allen Dingen,
die da träumen fort und fort,
Und die Welt hebt an zu singen,
Triffst du nur das Zauberwort.

Möglicherweise steht der Baum sinnbildlich für den Menschen; er durchschneidet als vertikale Achse alle Schichten des Bildes. Auf der Ebene sehen wir verschiedene Stadien menschlicher Entwicklung. Es beginnt beim Sumpf, dann kommt ein Weiher, dahinter sehen wir Felder und denen schließt sich dann ein Dorf an. Mit dem Schäfer spielt Caspar David Friedrich auf den literarischen Topos von Arkadien an, der besseren, friedlicheren, harmonischen Welt. Die Berge markieren den Übergang von der Erde zum Himmel, sodass das ganze Gemälde von einer ganz merkwürdigen Stimmung lebt, die zum einen sehr positiv, zum andern aber, mit Blick auf den halb abgestorbenen Baum, negativ ist. Und dennoch steht dieser Baum nicht unbedingt im Widerspruch zu dem beherrschenden Morgenrot. Im Gegenteil verweist dieses auf eine mögliche Transzendenz, ein Weiterleben wo auch immer.