Die Versöhnungskirche wird nicht sterben
An das Presbyterium der Apostel-Kirchengemeinde
28. Dezember 2006
Die Versöhnungskirche wird nicht sterben
Der Verlautbarung zur Schließung der Versöhnungskirche wurde vorangestellt: 2.Tim. 1,7 „Gott hat uns nicht gegeben den Geist der Furcht, sondern der Kraft, der Liebe und der Besonnenheit.“ Im griechischen Urtext finden wir die Worte „sofronismos“ bzw. „sofrosyne“, zu Deutsch heißt das „Mahnung zur Mäßigung“, auch „richtige Erkenntnis“, „Nüchternheit“. Bei Sokrates ist es „die auf richtiger Einsicht beruhende Besonnenheit, die in jeder Lage das rechte Maß zu halten weiß“. (Griechisch-deutsches Wörterbuch, bearbeitet von A.Kaegi)
Das Presbyterium geht davon aus, dass es besonnen handelt. Es will eine Kirche schließen und erwartet dafür Zustimmung und Beifall. Es wird immer wieder von Ihren Seiten her die Einheit beschworen. Wir seien alle eine große Einheit in der Apostel-Kirchengemeinde. Aber Einheit bedeutet noch keine Einigkeit. Diese Einigkeit kann nicht mit bloßen Worten eingefordert werden. Sie ist ein kostbares Gut: Einigkeit steht über formaler Einheit. Ich erkläre hier deutlich, dass ich einer erzwungenen und willkürlichen Einheit nicht zustimmen kann. Ja, gerade von mir als ehemaligem Pfarrer der Apostel-Kirchengemeinde erwarten Sie Zustimmung zu Ihrem Vorgehen. Sie wissen selber sehr genau, dass ich mich nicht als Aufrührer einer Protestgruppe vorangestellt habe. Aber als Mensch und Christ stehe ich auf Seiten derer, denen hier ihre Heimat weggenommen wird. Am 26. November habe ich nicht öffentlich gesprochen. Ich habe als Reaktion auf den von Ihnen verantworteten Artikel in den Zeitungen einen Leserbrief geschrieben, in dem lediglich das steht, was alle wissen und immer wieder gesagt wurde. Als Mensch können Sie mir nicht verbieten, meine Meinung frei und öffentlich zu äußern.
Als der erste Beschluss gefasst war, die Versöhnungskirche zu schließen, haben Sie, Schwester Krüger, in einem Gespräch mit meiner Frau und mir das Bild gebracht: Wie man ein sterbendes Kind nicht immer wieder neu zum Leben ermuntern soll, so ist es jetzt angesagt, mit tröstenden und auf das Sterben hinführenden Worten die Menschen der Versöhnungskirche zu begleiten. Dieses ist ein ergreifendes Bild. Aber trifft es zu? Muss das Kind Versöhnungskirche wirklich sterben? Ich möchte diesem Bild eines aus anderen Zusammenhängen entgegensetzen: Der Mond umkreist die Erde und stabilisiert sie mit seiner Schwerkraft in ihrer Umlaufbahn. Ohne den Mond käme es zu einer Klimakatastrophe, die alle anderen Naturkatastrophen in den Schatten stellen würde. Der Mond stabilisiert die Erdachse, sodass die Temperaturen auf der Erde trotz der Eiszeiten relativ stabil bleiben. So ist gleichsam die alte Apostelkirche unsere Erde, die zur Stabilisierung auf den Mond, die kleine Versöhnungskirche, angewiesen ist. Die Apostelkirche wird sterben, wenn sie auf die kleine Kirche mit moderner Architektur verzichtet, wo die Menschen wohnen. Von dort gehen Erneuerung und Experimentierfreudigkeit aus. ( Zum Beispiel Gottesdienste mit neuer Liturgie, Ausdruckstanz und Lieder von Peter Janssens, Pantomime Peter Paul ). Statt eine Kirche zu schließen, muss ein neues Konzept entworfen werden für die kleine und die große Kirche. Also nicht ein altes Gemeinde-Konzept durchsetzen wollen, sondern mit Phantasie und kreativen Ideen die ehrenamtlichen und hauptamtlichen Kräfte kooperativ mit ihren persönlichen Gaben einsetzen - Christen suchen die Kirche der Zukunft.
Vermögenssituation der Apostel-Kirchengemeinde
Gemäß dem Beschluss des Presbyteriums vom 20. 11. 2006 sieht sich das Presbyterium gezwungen, die Arbeit am Versöhnungszentrum einzustellen, weil die Finanzmittel der Gemeinde nicht mehr ausreichen, um die dortigen Gebäude weiter zu unterhalten. Diese Argumentation entspricht nicht den tatsächlichen Verhältnissen, denn es ist eine Ermessensfrage, wie die vorhandenen Rücklagen eingesetzt werden. Sie wissen selber, wieviel Rücklagen in der Vermögensübersicht der Apostel-Kirchengemeinde aufgelistet sind. Obwohl diese Dokumentation geheimgehalten wird, wird sie eines Tages ans Licht der Öffentlichkeit kommen. Es ist daher ein verhängnisvoller Fehler, immer wieder mit dem Finanzargument zu operieren, um das Versöhnungszentrum schließen zu können. Ich kann nicht hinnehmen, dass hier auf der allgemeinen Welle der Kirchenschließungen in Deutschland von einer Personengruppe eigene Interessen durchgesetzt werden.
Die Arbeit am Versöhnungszentrum wird schon jetzt weitgehend von ehrenamtlichen Kräften wahrgenommen. Wir müssen die Vision einer „Kirche mit Zukunft“ vor Ort realisieren.
Karl-Anton Hagedorn, Pfarrer der Apostel-Kirchengemeinde 1967 – 1989
28. Dezember 2006
Die Versöhnungskirche wird nicht sterben
Der Verlautbarung zur Schließung der Versöhnungskirche wurde vorangestellt: 2.Tim. 1,7 „Gott hat uns nicht gegeben den Geist der Furcht, sondern der Kraft, der Liebe und der Besonnenheit.“ Im griechischen Urtext finden wir die Worte „sofronismos“ bzw. „sofrosyne“, zu Deutsch heißt das „Mahnung zur Mäßigung“, auch „richtige Erkenntnis“, „Nüchternheit“. Bei Sokrates ist es „die auf richtiger Einsicht beruhende Besonnenheit, die in jeder Lage das rechte Maß zu halten weiß“. (Griechisch-deutsches Wörterbuch, bearbeitet von A.Kaegi)
Das Presbyterium geht davon aus, dass es besonnen handelt. Es will eine Kirche schließen und erwartet dafür Zustimmung und Beifall. Es wird immer wieder von Ihren Seiten her die Einheit beschworen. Wir seien alle eine große Einheit in der Apostel-Kirchengemeinde. Aber Einheit bedeutet noch keine Einigkeit. Diese Einigkeit kann nicht mit bloßen Worten eingefordert werden. Sie ist ein kostbares Gut: Einigkeit steht über formaler Einheit. Ich erkläre hier deutlich, dass ich einer erzwungenen und willkürlichen Einheit nicht zustimmen kann. Ja, gerade von mir als ehemaligem Pfarrer der Apostel-Kirchengemeinde erwarten Sie Zustimmung zu Ihrem Vorgehen. Sie wissen selber sehr genau, dass ich mich nicht als Aufrührer einer Protestgruppe vorangestellt habe. Aber als Mensch und Christ stehe ich auf Seiten derer, denen hier ihre Heimat weggenommen wird. Am 26. November habe ich nicht öffentlich gesprochen. Ich habe als Reaktion auf den von Ihnen verantworteten Artikel in den Zeitungen einen Leserbrief geschrieben, in dem lediglich das steht, was alle wissen und immer wieder gesagt wurde. Als Mensch können Sie mir nicht verbieten, meine Meinung frei und öffentlich zu äußern.
Als der erste Beschluss gefasst war, die Versöhnungskirche zu schließen, haben Sie, Schwester Krüger, in einem Gespräch mit meiner Frau und mir das Bild gebracht: Wie man ein sterbendes Kind nicht immer wieder neu zum Leben ermuntern soll, so ist es jetzt angesagt, mit tröstenden und auf das Sterben hinführenden Worten die Menschen der Versöhnungskirche zu begleiten. Dieses ist ein ergreifendes Bild. Aber trifft es zu? Muss das Kind Versöhnungskirche wirklich sterben? Ich möchte diesem Bild eines aus anderen Zusammenhängen entgegensetzen: Der Mond umkreist die Erde und stabilisiert sie mit seiner Schwerkraft in ihrer Umlaufbahn. Ohne den Mond käme es zu einer Klimakatastrophe, die alle anderen Naturkatastrophen in den Schatten stellen würde. Der Mond stabilisiert die Erdachse, sodass die Temperaturen auf der Erde trotz der Eiszeiten relativ stabil bleiben. So ist gleichsam die alte Apostelkirche unsere Erde, die zur Stabilisierung auf den Mond, die kleine Versöhnungskirche, angewiesen ist. Die Apostelkirche wird sterben, wenn sie auf die kleine Kirche mit moderner Architektur verzichtet, wo die Menschen wohnen. Von dort gehen Erneuerung und Experimentierfreudigkeit aus. ( Zum Beispiel Gottesdienste mit neuer Liturgie, Ausdruckstanz und Lieder von Peter Janssens, Pantomime Peter Paul ). Statt eine Kirche zu schließen, muss ein neues Konzept entworfen werden für die kleine und die große Kirche. Also nicht ein altes Gemeinde-Konzept durchsetzen wollen, sondern mit Phantasie und kreativen Ideen die ehrenamtlichen und hauptamtlichen Kräfte kooperativ mit ihren persönlichen Gaben einsetzen - Christen suchen die Kirche der Zukunft.
Vermögenssituation der Apostel-Kirchengemeinde
Gemäß dem Beschluss des Presbyteriums vom 20. 11. 2006 sieht sich das Presbyterium gezwungen, die Arbeit am Versöhnungszentrum einzustellen, weil die Finanzmittel der Gemeinde nicht mehr ausreichen, um die dortigen Gebäude weiter zu unterhalten. Diese Argumentation entspricht nicht den tatsächlichen Verhältnissen, denn es ist eine Ermessensfrage, wie die vorhandenen Rücklagen eingesetzt werden. Sie wissen selber, wieviel Rücklagen in der Vermögensübersicht der Apostel-Kirchengemeinde aufgelistet sind. Obwohl diese Dokumentation geheimgehalten wird, wird sie eines Tages ans Licht der Öffentlichkeit kommen. Es ist daher ein verhängnisvoller Fehler, immer wieder mit dem Finanzargument zu operieren, um das Versöhnungszentrum schließen zu können. Ich kann nicht hinnehmen, dass hier auf der allgemeinen Welle der Kirchenschließungen in Deutschland von einer Personengruppe eigene Interessen durchgesetzt werden.
Die Arbeit am Versöhnungszentrum wird schon jetzt weitgehend von ehrenamtlichen Kräften wahrgenommen. Wir müssen die Vision einer „Kirche mit Zukunft“ vor Ort realisieren.
Karl-Anton Hagedorn, Pfarrer der Apostel-Kirchengemeinde 1967 – 1989
4 Comments:
Ohne Sterben kein Pfingstfest
Hier meldet sich der kleine Hagedorn zu Wort: Ich finde, dass sich der Brief in der jetztigen Form unangemessen stark in das schmutzige Schlachtfeld der Kirchenbürokraten und Sanierungsvollstrecker einmischt. Es ist nicht die Rolle einer emeritierten Pfarrers in die Tagesentscheidungen der aktuell Diensthabenden hineinzuregieren. Altkanzler Helmut Schmidt wäre auch schlecht beraten wenn er sich in die Diskussionen um HartzIV und Elterngeld von Merkel und Müntefering hineinwirft. Die Rolle der Elder Statesmen ist es doch, die großen Linien der Entwicklung mitzudenken und Verbindungen zwischen Vergangenheit und Zukunft aufzuzeigen.
Was heißt das für die Kirchendiskussion? Ich denke: Es geht hier nicht um die "Rettung" der Versöhnungskirche. Die Versöhnungskirche ist -- um in religiösen Worten zu sprechen -- schon längst ans Kreuz genagelt und die siebte Stunde ist nicht mehr fern. Vielmehr geht es um in dieser Diskussion eigentlich um zwei großen Fragen der zukünftigen Kirche: 1) Welche Strategie hat die Kirche, um eine neue Rolle in der säkularisierten Gesellschaft zu finden. Und 2) Welche Dialogqualität entwickelt die Kirche, um sich auf die schwierigen und schmerzhaften Umbaumaßnahmen zu einigen?
Ein Weblogkommentar ist nicht der richtige Ort, um Antworten auf diese Fragen zu formulieren. Aber ein paar Brocken dazu wären:
- Die Kirche muss und wird schrumpfen. Gleichzeitig kann sie sich vielleicht auf vielfältige, sehr unterschiedliche Zielgruppen und Formate einstellen. Wenn sie das nicht schafft, schrumpft sie auf vollkommene Bedeutungslosigkeit zurück.
- Die Kirche braucht kreative "Veränderungs-Manager" in ihren Reihen, die auf jeden Aktiven zugehen und auf die Aufspaltungstendenzen mit großer Integrationskraft anworten. Personen mit solchen Fähigkeiten werden aber heute in allen Organisationen gebraucht. Kritiker fragen daher, ob solche Begabungen in der heutigen Kirche nicht verschwendet wären.
- Kleine Kirchen, große Kirchen, alte Kirchen, junge Kirchen, Nach-Kriegs-Kirchen, Vor-Klimawandel-Kirchen, alle werden in der richtigen Mischung gebraucht. Ob die Versöhnungskirche in dieser Reihe ihren Platz hat oder nicht -- darüber wurde zwar viel emotional debattiert, aber dem dem Dialog fehlten die pragmatischen und visionär überzeugenden Handlungsoptionen.
- Wenn das Veränderungsmanagement der Kirche die Form von Vorladungen, Mundtotmachen und Rückzug auf halb-veröffentlichte-Finanzgrundlagen einnimmt, dann sollten die Veränderungsmanager ausgewechselt werden. Falls dies nicht möglich ist, weil die Leute an der Kirchenspitze ähnlich drauf sind, dann bleibt nur der aktive bewusste Austritt -- oder das Überwintern in dunklen Kirchennischen.
- Die Arbeit in der Amtskirche wird in Zukunft anders werden. In Veränderungszeiten sind Pfarrerinnen und Pfarrer gefordert einen ganz anderen Arbeitsstil an den Tag zu legen als es in den 70er Jahren mit heimeligen Peter Janssen Gotterdiensten möglich war. Das war damals revolutionär. Heute nicht.
Jesus Jüngerinnen und Jünger wussten nach seinem Tod und seinem himmlichen Abgang auch nicht was werden sollte. Sie mussten erst die richtige Dialogform finden. Im Mittelalter hat man sich auf das Pfingstfest auch keinen Reim machen können und hat Bilder mit Feuer und so gemalt. Wissen wir heute mehr?
So, nun zurück in meine dunkle, warme Kirchennische
Hans
PUH
Mensch Hans, was für ein Statement.. das hat mir keinen Spass gemacht zu lesen.
Ja, stimmt. Bisschen daddelig mein Statement.
Peter Janssens war und ist nicht "heimelig".Seine Botschaft ist aktueller den je.Der Himmel geht über allen auf.Aber kaum ein Theologe lebt das,was er predigt.Im Internet gibt es zig Seiten zum mobbing in der Kirche.Unglaublich,was da abgeht..Und die Frage nach Werten beschäftigt die Menschen nach wie vor..Wichtiger den je..
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